Jedes Jahr im Spätherbst, meist am 6. November, erstrahlt Altbayern in besonderem Glanz: Es ist Zeit für die Leonhardifahrt (auch Leonhardiritt genannt). Dieses farbenprächtige Spektakel ist eine tief verwurzelte Tradition, die ihr unbedingt einmal erlebt haben müsst.

Was wird gefeiert?

Im Mittelpunkt der Leonhardifahrt steht der Heilige Leonhard von Limoges, der im 6. Jahrhundert in Frankreich lebte. Er ist der Schutzpatron der landwirtschaftlichen Tiere, besonders der Pferde, und wird deshalb im Volksmund auch als „Bauernherrgott“ verehrt.

Ursprünglich war Leonhard der Schutzpatron der Gefangenen, da er der Legende nach Ketten durch Gebet zum Zerspringen bringen konnte. Im 16. Jahrhundert missinterpretierte die Landbevölkerung diese Ketten auf Abbildungen jedoch als Viehketten. So wurde seine Schutzfunktion auf die Nutztiere und die Landwirtschaft ausgeweitet.

Die Leonhardifahrt ist also eine festliche Pferdewallfahrt und eine Dankprozession. Die Bauern und Reiter danken dem Heiligen für eine gute Ernte und bitten ihn um Schutz für ihre Tiere und Ställe im kommenden Winter.

Wie lange gibt es die Tradition schon?

Die Anfänge dieses Brauchs reichen weit zurück, teilweise sogar bis ins Mittelalter. Die ersten urkundlichen Erwähnungen stammen aus dem 15. Jahrhundert.

• Die älteste belegte Leonhardifahrt in Bayern findet in Kreuth am Tegernsee statt und geht auf das Jahr 1442 zurück.
• Der Leonhardiritt in Inchenhofen (Landkreis Aichach-Friedberg) ist ebenfalls sehr alt und wurde 1459 eingeführt.

In vielen Orten haben sich die Fahrten über die Jahrhunderte entwickelt. Die berühmte, geordnete Wallfahrt in Bad Tölz, wie wir sie heute kennen, wurde beispielsweise 1856 ins Leben gerufen, hat aber Vorläufer aus dem 18. Jahrhundert.

Wie läuft so eine Fahrt ab?

Eine Leonhardifahrt ist ein beeindruckendes, streng organisiertes Zeremoniell.

1. Festzug und Aufstellung: Am Vormittag sammeln sich Hunderte festlich geschmückte Kaltblutpferde und Gespanne. Die Tiere tragen aufwendige Zöpfe, Bänder und Geschirre, während die Teilnehmer in traditionellen Trachten erscheinen. Die Pferde ziehen prachtvolle, oft mit Tannengrün und Blumen verzierte Truhen- und Tafelwägen durch den Ort. Auf den Wagen werden oft Szenen aus dem Leben des Heiligen Leonhard oder aus der bäuerlichen Geschichte in „lebenden Bildern“ dargestellt.
2. Die Wallfahrt: Musikkapellen, Trachten- und Schützenvereine begleiten den Zug zur örtlichen Leonhardikircheoder Kapelle.
3. Segnung und Gottesdienst: Am Ziel findet ein feierlicher Gottesdienst oder eine Feldmesse statt. Der Höhepunkt ist die Pferdesegnung, bei der die Tiere und ihre Besitzer vom Geistlichen gesegnet werden, um sie vor Unglück und Krankheiten zu schützen.
4. Ausklang: Der Tag endet meist mit einem traditionellen Leonharditanz oder dem sogenannten Goaßlschnalzen(Peitschenknallen), das böse Geister vertreiben soll.

Wo finden die bekanntesten Fahrten statt?

Obwohl die Tradition in vielen Gemeinden Altbayerns gepflegt wird, stechen einige Leonhardifahrten besonders hervor:

• Bad Tölz: Die wohl bekannteste und größte Leonhardifahrt in Bayern. Sie führt in einem spektakulären Zug den steilen Kalvarienberg hinauf zur Leonhardikapelle. Sie wurde 2016 in das bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
• Kreuth am Tegernsee: Hier findet, wie erwähnt, die älteste belegte Fahrt statt.
• Benediktbeuern: Die Wallfahrt führt zum Kloster Benediktbeuern, wo die Segnung im Klosterhof stattfindet.

Terminübersicht: Leonhardifahrten in Bayern